Umweltschutz muss nicht immer spektakulär sein. Manchmal genügt ein nicht einmal handtellergroßes Kunststoffteil, um einen konkreten Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität zu leisten. Im konkreten Fall ist das Teil ein Rückschlagventil, das in VW-Motoren verbaut wird und den Abgasausstoß senkt. Es stammt zu hundert Prozent aus dem Hause Tratter Engineering.
Als etwa zehn Zentimeter langer Fortsatz hängt das Rückschlagventil an der Ansaughutze in verschiedenen VW-Motoren und reguliert über ein komplexes Vakuumsystem und eine ausgeklügelte Steuerung den Abgasausstoß. „Das ist gerade nach dem Dieselskandal für VW von zentraler Bedeutung, weil unser Ventil es möglich macht, die Emissionen zu überwachen und – falls die Grenzwerte überstiegen werden – sofort Gegenmaßnahmen zu ergreifen“, erklärt Projektleiter Marco Bianchi.
Venturi-Effekt und mikroskopische Präzision
Was schon auf dem Papier komplex klingt, ist in der Praxis noch sehr viel komplexer. „Dieses Projekt hat eine ganze Menge Herausforderungen für uns bereitgehalten“, erinnert sich Bianchi. Herausforderung Nummer eins: „Wir mussten uns erst in die Strömungslehre einarbeiten, um das Verhalten der Luftströme, den Venturi-Effekt und die Auswirkungen auf das Vakuum zu verstehen“, erklärt der Projektleiter. Dieses Feld war auch für die Experten bei Tratter weitgehend neu, sodass hier Grundlagenarbeit gefordert war.
Nicht neu ist dagegen die zweite Herausforderung: die Präzision. Allerdings gingen die Anforderungen an diese beim Rückschlagventil für VW noch weit über das herkömmliche Maß hinaus. „Hier reden wir nicht mehr von Genauigkeiten im Zehntel-, sondern im Hundertstel-Millimeterbereich, weil sich sonst das Vakuum verändert“, so Bianchi. Diese unvorstellbare Präzisionsarbeit sorgte sogar dafür, dass man die Stahlsorte für die Werkzeugfertigung wechseln musste. „Bei der normalerweise verwendeten wäre der Verschleiß zu groß gewesen“, sagt der Projektleiter.
Millionen Teile für den größten Wachstumsmarkt
Die Frage nach dem richtigen Stahl für die Werkzeuge hängt auch eng mit der dritten Herausforderung zusammen, die Bianchi nennt: die enormen Stückzahlen, in denen das Rückschlagventil von VW benötigt wird. „Wir produzieren heute im Haus 2,8 Millionen Ventile jährlich“, rechnet er vor, „das ist ein Ventil alle fünf Sekunden“. Um solche Stückzahlen überhaupt erreichen zu können, musste Tratter von einem Zwei- auf einen Dreischichtbetrieb umstellen. Und das heißt: „Wir mussten erst einmal genügend Personal finden, das mit unseren Maschinen umgehen kann“, so Bianchi. Die Umstellung lohnt sich aber – für beide Seiten. VW kann seine Emissionen sehr viel günstiger steuern als mit einer aufwändigen Elektronik und Tratter kann auf mehr als 1,5 Millionen Euro Umsatz jährlich zählen.
1,2 Millionen der bei Tratter vom Band laufenden Ventile werden nach Deutschland geliefert, wo sie in europäischen VW-Motoren verbaut werden, die restlichen 1,6 Millionen landen in China, damit die Wolfsburger auch den größten aller Wachstumsmärkte bedienen können. Womit wir auch schon bei der vierten Herausforderung wären, die Projektleiter Bianchi nennt: die Zusammenarbeit mit chinesischen Abnehmern. Die sei, so ist er überzeugt, eine besondere, auch und vor allem in der Kommunikation. „Ein ,Nein‘ wollen die chinesischen Kunden einfach nicht hören“, sagt Bianchi, „das wäre für sie unhöflich“.
Südtiroler Mentalität in gnadenlosem Sektor
Ein „Nein“ ist bei Tratter ohnehin etwas, was Kunden selten zu hören bekommen. „Uns kommt unsere Südtiroler Mentalität zugute, die weder die deutsche noch die italienische ist, sondern ein Mix aus beidem“, erklärt der Projektleiter. Heißt im Klartext: „Wir übernehmen Verantwortung, suchen nach Lösungen und verkomplizieren Probleme nicht unnötig.“ Bianchi findet dafür auch eine kurze Formel, die lautet: „einfach genial“.
Bei Tratter könne nach dieser Formel gearbeitet werden, weil das nötige Know-how da sei. „Bei uns ist die Fluktuation sehr, sehr niedrig, das Know-how bleibt im Betrieb“, erklärt uns der Projektleiter. Neue, junge Mitarbeiter würden zudem stetig ins Team eingebaut und könnten mit dem Unternehmen wachsen, sodass es für beide Seiten einen stetigen Lernprozess gebe: für Tratter und die einzelnen Mitarbeiter.
Kurze, unkomplizierte Kommunikationswege und ein stetiger Informationsaustausch täten das Ihre. „Oft sind wir selbst in einer Kaffeepause imstande, Lösungen für Probleme zu finden“, erklärt Bianchi. Das sei in einem so komplexen, vor allem aber so hart umkämpften Sektor wie jenem des Autobaus lebenswichtig für ein Unternehmen – egal welcher Größe. „Läuft etwas schief, wird in diesem Sektor knallhart der Schuldige gesucht“, sagt Projektleiter Marco Bianchi, „da wird auch keine Rücksicht auf die Kleinen genommen.“ Sein Fazit ist deshalb ebenso zwiespältig wie eingängig: „Der Automotive-Sektor ist kein einfacher, aber ein toller.“